Einführung in die Handlungshilfe

Inhaltsverzeichnis:

Vorwort

Öffentliche Institutionen stehen u.a. aus finanziellen, gesellschaftlichen und politischen Gründen vor der Herausforderung, ihre Interaktion mit dem Kunden 'Bürger' zu optimieren. 'Dafür sind wir nicht zuständig' oder 'das kann nicht bearbeitet werden, da die Bescheinigung XY fehlt' sind gängige Antworten, die Bürger in ihren Erfahrungskanon mit dem Behördendschungel regelmäßig aufnehmen. Einem Gutteil von Kommunen ist dieser Umstand neben vielen weiteren (mäßige Erreichbarkeit, stark hierarchische Arbeitsteilung, ineffiziente Entscheidungsstrukturen, mangelnde Bürgerorientierung etc.) bewusst. Einige Kommunen schließen sich bei der Verbesserung von 'Schnittstellen' mit Bürgern Modellen der gewerblichen Wirtschaft an, indem sie z.B. Call-Center-ähnliche Strukturen und Internetportale einrichten. Anregung erfolgt dabei u.a. auch von staatlichen Stellen sowie von Unternehmensberatungen mit Konzepten und Diskussionsforen zur Verwaltungsmodernisierung. Darüber hinaus werden exemplarisch Umsetzungsprojekte in diesem Themenkontext mit staatlichen Fördergeldern unterstützt, so z.B. der Ausbau von signaturgestützten Dienstleistungen via Internet in Bremen, der Aufbau des Call Centers eines Bundeslandes oder der Aufbau und Betrieb des über Cross-Media-Strukturen erreichbaren Kompetenznetzes Arbeitsschutz in NRW.

Auch das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung (BMA) förderte vom August 2000 bis Juni 2002 im Rahmen des 'Modellprogramms zur Bekämpfung arbeitsbedingter Erkrankungen' Umsetzungshilfen zur Implementierung öffentlicher Call Center mit dem Projekt 'Ver-T-iCall'. Der Titel des Projektes 'Öffentliche Beratungsdienste - vom Call Center zur Service- und Informationsagentur' macht dabei deutlich, dass es hier um die Unterstützung von höher- und hochwertigen Dienstleistungsangeboten geht, die Vorbildcharakter im Hinblick auf gesundheitsförderliche und effiziente Arbeitsgestaltung haben. Bewusst wird daher in der Projektarbeit der eher negativ besetzte Begriff Call Center vermie-den. Vielmehr wird im Folgenden von 'Service Centern' gesprochen, um die Vielfalt der teils höherwertigen Organisationslösungen im Bereich dieser Schnittstellengestaltung zum Bürger zu würdigen. Unter dem Begriff Service Center sind alle innovativen Beratungsdienste öffentlicher Verwaltungen zu verstehen, die eine Optimierung der Schnittstellengestaltung zu Bürgern zum Ziel haben. Dazu zählen sowohl Call-Center-Modelle, die für von öffentlichen Verwaltungen entsprechend adaptiert werden, als auch integrierte Cross-Media-Angebote (z.B. Bürgerämter, die via Telefon, Telefax und Internet ihr jeweiliges Dienstleistungsangebot für Bürger bündeln).

Hauptsächliche Ziele des Projektes sind dabei zum einem
  1. die Bereitstellung von Konzepten zur Planung und Realisierung von Beratungsdiensten als innovative Service Center in der öffentlichen Verwaltung mit Blick auf Gesundheit, Sicherheit und Effizienz sowie zum anderen
  2. der Transfer von höher- und hochwertigen Organisationslösungen, die für die Service Center-Beschäftigten eine gesunde und qualifizierte Tätigkeit schaffen und den Bürgern als Kunden anspruchsvolle Beratungsdienstleistungen bieten.
Geleitet wurde das Vorhaben von der Bergischen Universität - GH Wuppertal (Fachbereich Sicherheitstechnik, Fachgebiet Arbeitssicherheit / Ergonomie) mit der Unterstützung weiterer namhafter Projektpartner:
  1. Institut für Arbeitsmedizin, Sicherheitstechnik und Ergonomie (ASER e.V.), Wuppertal mit Kompetenzen im Bereich ganzheitlicher Gestaltungslösungen, Wissenstransfer, Informationsmanagement sowie Arbeits- und Gesundheitsschutz,
  2. Institut Arbeit und Technik (IAT), Gelsenkirchen mit Kompetenzen im Bereich der Verwaltungsmodernisierung, des gesellschaftlichen Wandels und der Arbeitspolitik,
  3. Technologieberatungsstelle beim DGB NRW in Oberhausen (TBS) mit Kompetenzen im Bereich von Mitarbeiterbeteiligung, Entgeltformen in Call-Centern und Sozialverträglichkeit von Arbeits- und Organisationsbedingungen,
  4. Systemkonzept GmbH, Köln mit Kompetenzen im Bereich der Qualifikation und Qualifizierung von Mitarbeitern in Call Centern,
  5. Universität Dortmund (Lehrstuhl für Organisationspsychologie) mit Kompetenzen im Bereich der Methoden und Instrumente der Belastungs- und Beanspruchungsanalyse sowie der Typisierung und Systematisierung neuer Arbeits- und Organisationsformen,
  6. prospektiv GmbH, Dortmund mit Kompetenzen im Bereich der Call Center-Gestaltung sowie der Wirtschaftlichkeit und der Beschreibung von Berufsbildern,
  7. SchubertEisfeller/Above GmbH mit Kompetenzen im Bereich der Integration behinderter Menschen in Call Centern,
  8. Staatliches Amt für Arbeitsschutz Coesfeld als Repräsentant der staatlichen Arbeitsschutzverwaltung NRW, die Call-Center-Lösungen mit Informations- und Beratungsangeboten begleitet.
Im Gegensatz zu Service- und Informationsangeboten, die in den vergangenen Jahren in vielen Bereichen der gewerblichen Wirtschaft als 'Call Center', 'Service-Hotlines' 'User-Helpdesks' u.ä. eingeführt wurden, sind in der öffentlichen Verwaltung die besonderen rechtlichen, finanziellen und strukturellen Rahmenbedingungen zu berücksichtigen. So werden dadurch einer Übertragung von Erkenntnissen und Methoden aus dem privatwirtschaftlichen Sektor teilweise enge Grenzen gesetzt. Da sich jedoch viele Kommunen noch im Planungsprozess innovativer Dienstleistungsstrukturen für die Interaktion mit Bürgern befinden, besteht die Chance der präventiven und prospektiven Arbeitsgestaltung in einer frühen Phase, um spätere teure bzw. aufwendige Korrekturen zu vermeiden. Weiterhin kann für bestimmte vergleichbare Bereiche aus den Fehlern der Privatwirtschaft gelernt werden.

Die nun als Ordner vorliegende Handlungshilfe 'Service Center der öffentlichen Verwaltung gesund und effizient gestalten' bündelt die im Projekt gesammelten Erfahrungen zu Planungs- und Umsetzungsprozessen und vermittelt Informationen, Handlungsempfehlungen und Verweise auf weitere relevante Quellen. U.a. wird auch auf das Informationsangebot des Projektes 'CCall', dass ebenfalls vom Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung gefördert wurde und sich dem Bereich der gewerblichen Wirtschaft gewidmet hat. So sind Teile des vorliegenden Ordners sowie Teile des CCall-Informationsmaterials Bestandteil der aus beiden Projekten entstandenen Handlungshilfe 'Gesünder Arbeiten im Call Center'.

Für Sie als Projektbeauftragter, Personalrat oder Beschäftigter in einer öffentlichen Verwaltung hoffen wir, eine interessante und nützliche Hilfestellung zusammengestellt zu haben, welche die besonderen Rahmenbedingungen im öffentlichen Sektor berücksichtigt. Wir wünschen Ihnen bei der Planung und Umsetzung Ihrer Vorhaben ein gutes Gelingen und eine angenehme Lektüre dieser Handlungshilfe!

Wuppertal, im Oktober 2002
Kai Seiler
Rainer Tielsch
Bernd Hans Müller

Einführung in die Handlungshilfe 'Service Center der öffentlichen Verwaltung gesund und effizient gestalten'

Die vorliegende Handlungshilfe fasst systematisch die relevanten Informationen und Gestaltungsempfehlungen zur Planung und Umsetzung öffentlicher Service Center zusammen.

Die Auswahl der Schwerpunkte wurde gewonnen in Prozessbegleitungen von Call- bzw. Service-Center-Projekten in Kommunal- und Landesverwaltungen sowie in kommunalen Eigenbetrieben. Darüber hinaus sind in einigen Fällen Arbeitsanalysen sowie Expertengespräche durchgeführt worden. Zusammen mit dem arbeitswissenschaftlichen Know-how der Partner des Projektes Ver-T-iCall konnte diese Handlungshilfe spezifisch für die Zielgruppe der Projektleiter sowie der Interessenvertretungen erstellt werden.

Für eine schnelle Orientierung...
... und zur kurzen Beantwortung der wichtigsten Fragen kann mit dem "Wegweiser" gearbeitet werden. Darin werden Verweise auf weitere Module des gesamten Praxisleitfadens vorgenommen. An den verwiesenen Stellen können Sie dann vertiefende Informationen zum jeweiligen Thema bekommen, sich Praxisbeispiele anschauen oder Methoden und Checklisten kennenlernen. Darüber hinaus werden zusätzliche Hinweise auf weiterführende Literatur, Ratgeber und nützliche Internet-Links gegeben, um bei Bedarf umfassende Informationsquellen zur Verfügung zu haben.

Die folgende Abbildung zeigt den Aufbau dieser Handlungshilfe. Das Kapitel 1 behandelt ein Leitbild mit den wichtigsten Prinzipien zur gesunden und effektiven Arbeitsgestaltung auf allgemeiner Ebene, an dem sich alle Call- bzw. Service-Center-Projekte öffentlicher Verwaltungen orientieren können.

Im Kapitel 2 befindet sich der bereits erwähnte 'Wegweiser' für eine schnelle Orientierung mit Verweisen auf die weiteren Bestandteile dieser Handlungshilfe. Wie ein Planungsprozess idealerweise gestaltet werden kann und was dabei an relevanten Einflussgrößen zu berücksichtigen ist, wird im Kapitel 3 behandelt. In Kapitel 4 werden schließlich zunächst problembezogene Gestaltungsempfehlungen anhand der Schwerpunkte aus der Ver-T-iCall-Projektarbeit erörtert. Es folgt eine Übersicht, die für die jeweiligen Gestaltungsbereiche "Technik", "Organisation" und "Personal" anhand der zugrundeliegenden Aufgaben Anforderungen ableitet und Maßnahmenempfehlungen zur Arbeitsgestaltung gibt. Fallbeispiele runden dieses Kapitel ab.

Abbildung 1: Der schematische Aufbau der Handlungshilfe
Abbildung 1: Der schematische Aufbau der Handlungshilfe

Kapitel 3 und Kapitel 4 können somit als 'vertiefender Kern' dieser Handlungshilfe angesehen werden. Im Anhang befinden sich als Praxishilfe die Ver-T-iCall-Toolbox mit den in der Projektarbeit benutzten Methoden, Verfahren und Checklisten sowie die Ver-T-iCall-Reports: zum Teil wissenschaftliche Analysen und Berichte zur Methodik im Projekt sowie zu Sonderthemen, die bei Interesse ergänzend für eine umfassende Beschäftigung mit dem Thema herangezogen werden können. Die Pfeile in der Abbildung 1 symbolisieren die Verweise und Bezugnahmen in dieser Handlungshilfe: Viele Bedingungen und Sachverhalte hängen mit anderen Aspekten zusammen, daher sind an den entsprechenden Stellen die Querverweise hilfreich und nötig.

Der Aufbau dieser Handlungshilfe orientiert sich sprachlich und inhaltlich an dem Aufbau der gemeinsam mit dem CCall-Projekt erscheinenden Handlungshilfe 'Gesünder Arbeiten im Call Center', um Begriffsverwirrungen bzw. abweichende Gliederungsstrukturen zu vermeiden, falls beide Informationsangebote genutzt werden. Im Internet ist unter http://www.ver-t-icall.de eine mit der vorliegenden Handlungshilfe inhaltlich identische HTML-Version zur Verfügung gestellt worden.

Sollten Sie nur den vorliegenden Ordner zur Verfügung haben, ist es hilfreich, sich zusätzlich bei der Verwaltungsberufsgenossenschaft das ergänzende Informationsmaterial des Projektes CCall zu bestellen, auf das an den entsprechenden Stellen in dem Ordner verwiesen wird (im Internet sind unter http://www.ccall.de PDF-Dateien zum Herunterladen verfügbar).

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird in den überwiegenden Textteilen dieser Handlungshilfe die männliche Form auch als Synonym für die weibliche Form verwendet.

Die folgende Inhaltsübersicht erlaubt einen Überblick über die Inhalte der einzelnen Kapitel.

Inhaltsübersicht

Einführung in die Handlungshilfe
1. Leitbild für die arbeitsorientierte Gestaltung von Service Centern
    1.1 Warum ein Leitbild
    1.2 Konzepte öffentlicher Informations- und Beratungsdienste
    1.3 Arbeitsgestaltung
2. Wegweiser zur Erreichung gesunder und effizienter Service Center
3. Planung von Service Centern der öffentlichen Verwaltung
    3.1 Service Center für die öffentiche Verwaltung
    3.2 Methoden und Hilfsmittel bei der Planung und Einführung von Service Centern
    3.3 Einflussgrößen und Zielbereiche in einem ganzheitlichen Planungsprozess
    3.4 Wirtschaftlichkeitsaspekte im Service Center
    3.5 Literaturangaben
4. Umsetzung von Service Centern der öffentlichen Verwaltung
    4.1 Schwerpunkte der Arbeitsgestaltung in Service Centern
        4.1.1 Schnittstellen optimal gestalten!
        4.1.2 Unsicherheit und Skepsis im Change Management reduzieren, Akzeptanz für das Service Center schaffen!
        4.1.3 Gestaltung von Entgeltregelungen
        4.1.4 Psychische Fehlbeanspruchungen verringern!
        4.1.5 Personalauswahl und Personalentwicklung
    4.2 Maßnahmenübersicht nach Dienstleistungen und anfallenden Aufgaben
        4.2.1 Welche Maßnahmen sind bei welcher Service-Center-Form sinnvoll?
        4.2.2 Maßnahmen- und Gestaltungsübersicht
    4.3 Fallbeispiele
        4.3.1 Planungsprozess in einer mittelgroßen Kommune
        4.3.2 Umsetzung eines Service Centers in einer größeren Stadtverwaltung
        4.3.3 Umsetzung eines Service Centers in einem kommunalen Versorgungsbetrieb
        4.3.4 Service Center mit hauptsächlicher Internetfunktion (E-Government)
Anhang: Praxishilfen
Anhang: Reports

Downloadversion: Einführung

Hier können Sie die Einführung zur Handlungshilfe herunterladen.
Einführung zur Handlungshilfe (PDF 40 kb)
Öffentliche Beratungsdienste
vom Call Center zur Service- und Informationsagentur