4.3.4 Service Center mit hauptsächlicher Internetfunktion (E-Government)

Was gab den Anstoß / welcher Zweck soll verfolgt werden?
Das Projekt zum Betreiben eines Internetportals, auf dem verschiedenste Transaktionen in den Beziehungen zwischen Bürgern und der Kommune erfolgen sollen, wurde durch die Politik (Senator für Finanzen) initiiert und durch das Forschungsinteresse einer benachbarten Universität angeregt.

In erster Linie sollen Rationalisierungseffekte mit der Online-Plattform realisiert werden; jedoch wird kurz- und mittelfristig zunächst mit einem erheblichen zusätzlichen Investitionsvolumen gerechnet. Darüber hinaus sollte aus politischen Gründen ein "zeitgemäßes" Verwaltungsangebot geschaffen werden, das Bürgern die vielfältige Interaktion mit der Verwaltung erleichtern soll. Das Online-Angebot reiht sich ein in das bereits bestehende Internetportal der Kommunalverwaltung sowie in eine bürgerfreundliche Strukturierung von Verwaltungsaufgaben in Bürgerämtern. Das Ziel sämtlicher Aktivitäten in Rahmen dieses Vorhabens bedeutet dabei nicht die Schaffung einer Ausschließlichkeit für einen bestimmten Transaktionsweg, sondern die Erweiterung des Kontaktnahmeangebotes zur Kommune; der Bürger soll sich aussuchen können, über welchen Weg er sein Verwaltungsbegehren abwickeln will (persönlicher Kontakt, via Telefon, via Internet). Im Faltblatt zur Bewerbung des Angebotes heißt es: "Das Internet der Zukunft bietet mehr: Es schafft Behördengänge ab, übernimmt lästige Schreibarbeiten und erübrigt das Warten in der Telefonschleife. Um beispielsweise Ihre Ummeldung bei der Meldestelle rechtsverbindlich zu machen, benötigt der Antrag Ihre Unterschrift. Im Online-Verfahren leisten Sie diese mit Hilfe Ihrer elektronischen Signatur. Diese erzeugen Sie durch Ihre persönliche Signaturkarte. Anschließend wird Ihr Antrag verschlüsselt an den jeweiligen Empfänger versendet."

Das Modellprojekt konnte und kann durch umfangreiche Fördermittel des Bundes realisiert werden. Ziel ist es jedoch, mittel- bis langfristig ein finanziell sich selbst tragendes Angebot zu schaffen. Es soll als Modellprojekt Konzepte und Umsetzungslösungen erarbeiten, die auch für andere Kommunen nutzbar sein können.

Beschreibung der Organisationslösung
Die Entwicklungs- und Betreibergesellschaft ist als GmbH & Co. KG organisiert. Die Komplementär-GmbH gehört zu 100% der Stadt, als Kommanditisten fungieren die Stadt (Mehrheitsbeteiligung) und private Unternehmen.

Das Angebot ist in erster Linie ein Online-Dienst mit Help-Desk-Funktion (via Call Center) zur Bedienung des Online-Angebotes. Fachliche Fragen zu den Verwaltungsvorgängen müssen telefonisch an die Fachämter weitergeleitet werden.

Das Dienstleistungsangebot sowie die im Internet-Portal vollzogene Umsetzung dazu erstreckt sich auf nach "Lebenslagen" orientierte Transaktionsmöglichkeiten (Rubriken in dem Portal sind dabei z.B. "Umzug und Wohnen"; "Familie, Singles & Co." ; "Verkehr"; "Studium"; "Freizeit"; "Geld"; "Bauen"). So können online z.B. Ummeldungen vorgenommen werden, Nachsendeaufträge verschickt und Adressänderungen bekanntgegeben werden. Ungefähr 100 Dienstleistungsangebote sollen im Jahre 2002 per Internet realisiert sein (Dienstleistungsanbebote von Privatgesellschaften im Rahmen einer Public-Private-Partnership eingeschlossen). Die Dienstleistungen sind nicht aufgrund von Bürgerbegehren, sondern durch Entscheidungsträger der Verwaltung vorgegeben worden. Auch sehr komplexe Angebote wie die Abwicklung eines Bauantrags soll demnächst auf diesem Wege ausführbar sein.

Im Herbst 2001 wurden im Stadtgebiet inzwischen sechs betreute Nutzerplätze, davon einer speziell für Frauen, eingerichtet. Dort stehen komplett ausgestattete PC-Arbeitsplätze kostenlos zur Verfügung. Weitere betreute Nutzerplätze sind im Aufbau, u.a. in Internetcafés. In beschränktem Umfang ist in Ergänzung zu den betreuten Plätzen die Einrichtung unbetreuter Selbstbedienungsstationen ("Kioske") geplant.

Für technische Fragen und weitere Informationen zum Projekt gibt es eine gebührenfreie Bürgerhotline (0800-Nummer). Das Helpcenter wird seit Januar 2001 betrieben und bietet Informationen und Hilfe auch auf englisch und türkisch an. Weiterhin sind im Web-Angebot in der Rubrik "So geht's" umfangreiche Informationen abrufbar, auch eine umfassende Hilfe-Funktion wurde realisiert.

Erfolgs- und Misserfolgsfaktoren
Bisherige Hemmnisse liegen in der aufwendigen Beantragung der Signaturkarten bzw. der benutzerunfreundlichen Installationssoftware. Eine große Akzeptanz für die Signaturkarten ist seitens der potenziellen Nutzer auch noch nicht vorhanden; zurzeit werden die vergleichsweise teuren Karten mit Lesegerät zu einem subventionierten Preis aus den Projektgeldern abgegeben. Insgesamt muss auch die Zielgruppenproblematik bedacht werden ("Internet-Schere" in der Gesellschaft, bisherige Nutzung von E-Business etc.).

Weiterhin mussten technische Probleme (Integration von Soft- u. Hardware) durch selbstentwickelte Lösungen beseitigt werden; seitens der Verwaltung bestand oftmals eine gewisse "Ungeduld" für die Realisation aufwendiger technischer Integrationen.

Wichtigster Meilenstein wird die Entscheidung deutscher Wirtschaftsverbände (hauptsächlich der Finanzdienstleister) sein, Transaktionsprozesse via Internet zukünftig über Signaturkarten abzuwickeln, da darüber der Verbreitungsgrad von Signaturkarten erheblich erhöht wird (keiner wird sich ausschließlich für die Zwecke der Verwaltungsbegehren eine teure Signaturkarte anschaffen). Dabei wird entscheidend sein, auf welchen Standard man sich einigen wird.

Eine weitere zielführende Marketingstrategie war und ist es, das Angebot aktiv bei bestimmten Zielgruppen geworben (z.B. Rechtsanwälte wegen dem im Angebot vorhandenen Online-Mahnverfahren; Autohändler wegen der Möglichkeit zur Online-KFZ-Ummeldung etc.) Zurzeit werden Studenten, die das Internet bereits intensiv nutzen, beworben.

Bewertung / Empfehlungen zur Gesundheitsförderlichkeit
Da derartige Umsetzungslösungen hauptsächlich über die Informationstechnik funktionieren, spielt der Faktor "Mensch" für den unmittelbaren Betrieb eine vergleichsweise geringe Rolle. Das ist aus Rationalisierungsgesichtspunkten für die Verwaltungsziele sinnvoll, aus beschäftigungspolitischen Gesichtspunkten sicher als problematisch zu bewerten (wenngleich eine derartige Organisation von Arbeit und Dienstleistungsprozessen die Chance bietet, monotone, einfache und sich wiederholende Tätigkeiten zu automatisieren und verbleibende Arbeitsplätze qualitativ höherwertiger in der Aufgabenerfüllung zu gestalten).

Es ist eine Tatsache, dass der Datenschutz im Rahmen von Transferprozessen über elektronische Medien vor allem in der öffentlichen Verwaltung eine besondere Rolle spielt. Die Sicherheit und der Schutz von Kommunikation wird hier an oberster Stelle gesehen. Zudem sind für die diesbezüglichen Transferprozesse nur noch wenig bis keine Schnitt- oder Bearbeitungsstellen mit Arbeitsplätzen mehr erforderlich.

Somit vollzieht sich auch im Bereich öffentlicher Dienstleistungen ein Prozess, der aus den produzierenden Wirtschaftszweigen hinlänglich bekannt ist: Technik und Technologie ersetzen Arbeitsplätze und sollen damit zu optimalen Gestaltungsbedingungen und effizienten Bearbeitungsprozessen führen, die man mit "virtueller Arbeitsgestaltung" beschreiben könnte; der arbeitende Mensch erfährt Sicherheit und Gesundheit, da er nicht mehr in die Dienstleistungsprozesse einbezogen wird. Es bleibt dem aktuellen und zukünftigen Wertewandel überlassen, wie solche Phänomene in die Arbeitswelt eingeordnet und bewertet werden.

Rainer Tielsch, Kai Seiler


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