4.1.1 Schnittstellen optimal gestalten!

Im Folgenden wird näher auf das in vielen Service Centern vorzufindende Problem der Schnittstellengestaltung zu anderen Bereichen der Verwaltung eingegangen.

Neben den technischen Voraussetzungen, die eine reibungslose, effiziente Auftragsabarbeitung an den Schnittstellen „Bürger/First-Level/Back-Office“, gewährleisten müssen, was z. B. durch CTI (Computer-Telephony-Integration) und integrierten ACD-Systemen (Automatic Call Distribution) gelöst wird, hat sich in der Praxis ein von der Technik unabhängiges Problem ergeben:


Abbildung 4-1: Schnittstellen, die z.B. ein Call Center eines kommunalen Versorgungsbetriebes mit Abteilungen/Organisationen hat
Abbildung 4-1: Schnittstellen, die z.B. ein Call Center eines kommunalen Versorgungsbetriebes mit Abteilungen/Organisationen hat


Es folgt nun ein Beispiel der Schnittstellenproblematik bei einem Beratungscenter und den einzelnen Fachabteilungen eines kommunalen Energieversorgers (vgl. Abb. 4-1). Die angesprochenen Problemlagen sind oftmals vergleichbar mit denen anderer Service Center in öffentlichen Institutionen.

Was ist die besondere Problematik an dieser Schnittstelle?
Die Einbindung eines Service Centers in die vorhandene Verwaltungsstruktur löst in erster Linie Informations- und Sensibilisierungsbedarf aus. Denn oft wird ein solches Service Center und demzufolge dessen Agents, von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Fachabteilungen (Back-Office) als Fremdkörper angesehen. In Folge dessen sind die Abläufe bei der Auftragsabarbeitung gestört. Die Mitarbeiter/innen aus dem First Level nehmen die Aufträge und Anliegen der Bürger bzw. Kunden entgegen mit der Zusicherung einer zeitnahen Erledigung. Die Aufgaben bzw. Anträge, welche die First Level Mitarbeiter – bedingt durch die Ablauforganisation – nicht selbst erledigen können (oder dürfen), werden an die Fachabteilungen weitergeleitet. Dabei kommt es oft durch die Mitarbeiter der Fachabteilungen zu Verzögerungen in der Auftragserledigung. Diese nehmen oft die eingehenden Aufträge aus dem Beratungscenter nicht „ernst“ genug, weil niemand wirklich für die Erledigung verantwortlich ist.

Klärungsbedürftig sind beispielsweise die folgenden Fragestellungen:
Das Problem zeigt: Mit technikzentrierten Lösungsansätzen allein sind hier keine Erfolge zu erzielen! Das vorliegende Problem ist ein mitarbeiterzentriertes (menschliches) Problem.

Bevor hier einzelne Lösungsvorschläge gegeben werden, muss zunächst einmal versucht geklärt zu werden, woraus nun die Vorbehalte der Fachabteilungen gegen das Beratungs- und Informationscenter resultieren.

Die Einbindung eines solchen Service Centers ist auch immer mit Veränderungen der Arbeitsabläufe in den vorhandenen Strukturen verbunden. In dem Maße wie sich die Arbeitsabläufe ändern, ändern sich auch die Anforderungen an die Beschäftigten:
Wird hier seitens des Managements nicht rechtzeitig Informations- und Sensibilisierungsarbeit initiiert und geleistet, entsteht bei den Mitarbeiter Widerwillen gegen das „Neue“, darüber hinaus Ängste um den eigenen Arbeitsplatz, durch die „billige“ ins Haus geholte Konkurrenz.

Auf der anderen Seite entstehen auch bei den Agents im First Level Vorbehalte gegen die Fachabteilungen. Die Kommunikationsstrukturen sind oft erheblich eingeschränkt und gestört.

Ein Beratungs- und Informationscenter kann aber nur dann funktionieren, wenn es von allen Bereichen akzeptiert und seine Notwendigkeit anerkannt wird.

Wodurch kann die Zusammenarbeit zwischen Beratungscenter und Fachabteilungen verbessert werden?
Beispielhafte Lösungsmöglichkeiten bestehen:
Durch ein verbessertes Informationsmanagement, dass sich darstellt durch:
Die Zusammenarbeit zwischen First-Level und Back-Office kann auch verbessert werden durch die Einführung einer neuen Arbeitsorganisationsform wie z. B.:
Dadurch besteht die Chance, die Arbeitsaufgaben schrittweise so umzugestalten, dass eine integrierte Entwicklung der Verwaltung/Organisation, der Technik und aller Mitarbeiter möglich wird:

Die Mitarbeiter sollen die Möglichkeit erhalten, sich entsprechend ihren Fähigkeiten einzubringen und entsprechend die Markt-/Kunden-/Bürgeranforderungen weiterzuentwickeln.

Angedacht werden kann auch ein Modell von wechselseitigen „Praktika“ im Service Center und den Fachabteilungen, um die jeweiligen Arbeitsweisen und Probleme besser kennen zu lernen (Training des Perspektivenwechsels). Zugleich sollen die Dienstleistungen und Prozesse so weiterentwickelt werden, dass die Anfragen der Kunden/Bürger so gut erfüllt werden, dass durch ihre Anbindung an die Verwaltung/Organisation eine größere Bürgernähe erreicht wird und so eine Abwanderung zur Konkurrenz (z. B. Energieversorger) verhindert wird.

Die Zielerreichung kann durch eine schrittweise Zurücknahme der Arbeitsteilung unterstützt werden, denn die arbeitsteilige Auftragserfüllung erfordert einen hohen Kontroll- und Koordinierungsaufwand, problematisch ist auch, wie bereits eben erwähnt, das Problem bei der Sicherstellung der Auftragserfüllung. Die Arbeitsteilige Auftragserfüllung erfordert zudem hohe Motivationsanreize.

Bei teilautonomer Gruppenarbeit werden die Lösungskapazitäten bei der Entwicklung von Verbesserungen und ihrer Umsetzungen durch die hohe Beteiligungen der Agents optimal genutzt. Somit wird die Kontrolle über die Auftragserledigung und die Qualität der Auftragserledigung vom Team selbst getragen. Die Motivationsanreize für die Mitarbeiter aus den Fachabteilungen erwachsen sich z. B. auch durch eine größere Entlastung durch das Service Center.

Reinhild Reska, Rainer Dörr



Öffentliche Beratungsdienste
vom Call Center zur Service- und Informationsagentur