3.2 Methoden und Hilfsmittel bei der Planung und Einführung von Service Centern

Inhaltsverzeichnis:


3.2.1 Überblick über Phasen und Projektorganisation

Der Planung und Einführung von Service Centern soll ein Phasenmodell zugrunde gelegt werden, um in den einzelnen Schritten notwendige Aufgaben sowie mögliche Methoden und Hilfsmittel darzustellen. Eine Zusammenfassung der Phasen mit den einzelnen Aufgaben gibt die Abbildung 3-1.

Abbildung 3-1: Phasen für Planung und Einführung von Service Centern im öffentlichen Dienst
Abbildung 3-1: Phasen für Planung und Einführung von Service Centern im öffentlichen Dienst


Die möglichen Methoden und Hilfsmittel (Überblick in Abbildung 3-1) werden beginnend im Kapitel 3.2.2 Phase 1: Analyse beschrieben und dabei auf die einzelnen Phasen und Aufgaben bezogen. Darüber hinaus befindet sich eine systematische Sammlung mit Erklärungs- und Unterstützungsinformationen der in den Ver-T-iCall-Leitfadenmodulen verwendeten Verfahren, Instrumenten und Methoden auf der Ver-T-iCall-Internetseite www.ver-t-iCall.de.

Abbildung 3-2 : Projektmodell
Abbildung 3-2 : Projektmodell


Für die Planung und Einführung wird eine Projektorganisation empfohlen. Die Projektorganisation beginnt mit einem “Kick Off” und endet mit der Funktionsfähigkeit des Service Centers (Abbildung 3-2).

Ausgangspunkt für die Schaffung neuer Informations- und Beratungsangebote ist ein konkreter Anlass oder Anstoß, z.B. ein Beschluss über die Neuausrichtung der Verwaltung oder eine Entscheidung der Politik zur besseren öffentlichen Darstellung der Verwaltung. In einem Kick-Off-Workshop mit Entscheidungsträgern wird der Projektstart beschlossen. Im nächsten Schritt geht es um die Festlegung der konkreten Ziele wie erweiterte Erreichbarkeit, qualifiziertere Telefonauskunft, Entlastung der Sachbearbeiter von Störungen, Reaktionsfähigkeit bei Kampagnen. Ziele können aus verschiedenen Perspektiven geäußert werden, aus der Sicht der Politik, aus der der Verwaltung, aus der Sicht der Bürger und der Beschäftigten. In einem gut gestalteten Service Center sind deshalb bei der Zielfindung möglichst alle an der Erbringung der Dienstleistung beteiligten Akteure einzubeziehen.

Abbildung 3-3 : Instrumente für die Planung im Überblick
Abbildung 3-3 : Instrumente für die Planung im Überblick


Das Zielsystem liefert den Rahmen für die Projektorganisation, indem Personal, Ressourcen und Zeitplanung festgelegt werden müssen. In der Projektgruppenarbeit sind Organisationskonzepte zu entwickeln. Dabei kann die Zusammensetzung der Gruppe wechseln; es können aber auch parallele Gruppen arbeiten, um unterschiedliche Aufgabenstellungen, wie Technikausstattung, Raumgestaltung, Qualifizierung und Arbeitsorganisation zu bearbeiten. Nach der Entscheidung über das Organisationskonzept beginnt die Umsetzung mit Raumbeschaffung, - einrichtung, Personalauswahl, Qualifizierung und Technikinvestition. Das Projektcontrolling bewertet die Zwischenergebnisse, entwickelt ein Kennzahlensystem für die Erreichung von Zielen, wie z.B. Telefonverkehrsaufkommen oder Anzahl der nicht beantworteten Anrufe und überprüft die Zielerreichung. Nach Implementierung des neu gestalteten Service Centers beginnt wiederum ein Prozess der ständigen Optimierung, der gestaltet werden kann durch die Einführung von Qualitätszirkeln mit Verbesserungsvorschlägen der Beschäftigten oder durch Instrumente zur Analyse von gesundheitlichen Belastungen und Beanspruchungen (z.B. SIGMA- CC).

3.2.2 Phase 1: Analyse

Die Analyse der Ausgangssituation dient der Abschätzung von strategischen Entscheidungsgrößen wie Handlungsbedarf, Veränderungsdruck und Beteiligungsklima. In einem Portfolio mit ausgewiesenen Kriterien zur Bewertung der Ausgangssituation der Verwaltung bzw. eines Arbeitsbereiches, kennzeichnen alle dazu eingeladenen Akteure durch Metaplanklebepunkte die Ausgangssituation nach Selbsteinschätzung.

Die Abbildung 3-4 dokumentiert die Vorgehensweise. Dabei sind die Kriterien veränderbar. Auch die Einzelkriterien der Beurteilungen können als Beispiele verstanden werden, sie sind den jeweiligen spezifischen Bedingungen anpassbar. An die dokumentierte persönliche Bewertung schließt sich eine gemeinsame Auswertung der Einzelergebnisse und der Gesamtbeurteilung an.

Abbildung 3-4 : Portfolio „Ausgangssituation“ Portfolio 1: Hierbei handelt es sich um eine Zusammenstellung und grobe Klassifizierung der jetzigen betrieblichen Situation. Je  niedriger das Veränderungspotenzial und je höher der Veränderungsbedarf, desto mehr  befindet sich die Verwaltung in der Krise.
Abbildung 3-4 : Portfolio „Ausgangssituation“ Portfolio 1: Hierbei handelt es sich um eine Zusammenstellung und grobe Klassifizierung der jetzigen betrieblichen Situation. Je niedriger das Veränderungspotenzial und je höher der Veränderungsbedarf, desto mehr befindet sich die Verwaltung in der Krise.



Abbildung 3-5 :Portfolio 2: Die vielgescholtene Vertreterrolle des Personalrats ist für eine Verwaltung mit wenig durchsetzungsfähigen Beschäftigten („niedriges Beteiligungspotenzial“) durchaus angemessen. Wenn aber die Fähigkeit der Beschäftigten ihre Interessen selbst zu vertreten höher wird, ist die „Moderatorenrolle“ für den Personalrat geeigneter.
Abbildung 3-5 :Portfolio 2: Die vielgescholtene Vertreterrolle des Personalrats ist für eine Verwaltung mit wenig durchsetzungsfähigen Beschäftigten („niedriges Beteiligungspotenzial“) durchaus angemessen. Wenn aber die Fähigkeit der Beschäftigten ihre Interessen selbst zu vertreten höher wird, ist die „Moderatorenrolle“ für den Personalrat geeigneter.



Abbildung 3-6 :Portfolio 3: Will man verwaltungsinterne Dynamik erreichen, müssen zwei Ziele angestrebt werden:
Abbildung 3-6 :Portfolio 3: Will man verwaltungsinterne Dynamik erreichen, müssen zwei Ziele angestrebt werden:


Dadurch erschließen sich erste Handlungsfelder. Zur Portfolio-Analyse vergleiche ausführlich: “Beteiligungsinstrumente bei betrieblicher Umgestaltung” Handbuch mit Methodenkoffer, Oberhausen (TBS) 1999. Ausgehend von der Grundsatzentscheidung zur neuen Organisation von telefonischen Serviceangeboten oder Einrichtung eines Service Centers ist eine Ist-Analyse im betroffenen Arbeitsbereich durchzuführen. Einige der zu erhebenden Faktoren zeigt Abbildung 3-7.

  • Vorhandenes Personal
  • Stellen/ Eingruppierungen
  • Beschäftigungsverhältnisse
  • Vorhandene Qualifikationen
  • Qualifikatorische Anforderungen
  • Ablaufanalyse (Schnittstellen zu anderen Arbeitsplätzen, Doppelarbeiten)
  • Verkehrsmessungen Bürgerkontakt (telefonisch, schriftlich, Internet, Besuche)
  • Quantitativ und qualitativ (Vermittlungsleistung, Vorabinformation, abschließende Bearbeitung)
  • Erfolgsgrad (prozentuelle Erreichbarkeit, Wartezeiten in der Sprechstunde, am Telefon, prozentual besetzt, Vermittlung nicht möglich, Auskunft nicht erteilbar)
  • Analyse von betrieblichen Daten wie Krankenstand und Fehlzeiten
  • Aufgabenkritik

Abbildung 3-7: Faktoren zur Bewertung der Ausgangssituation

Die Analyse wird koordiniert und durchgeführt von der jeweiligen Organisationsabteilung, häufig aber auch durch externe Unterstützung einer Organisationsberatung. Die Analyse kann ergänzt werden durch Kundenbefragungen, wie z.B. Anrufer oder Bürger, über die von ihnen gewünschte Dienstleistung, die Qualität der erbrachten Dienstleistung, die Art des gewünschten Zugangsweges, Zufriedenheit- oder Beschwerdetatbestände und durch Mitarbeiterbefragungen (vgl. hierzu das Kapitel 3.3 Einflussgrößen und Zielbereiche in einem ganzheitlichen Planungsprozess).

3.2.3 Phase 2: Zielfindung

Die Berücksichtigung aller Zielperspektiven dient dazu, die Zielfindung möglichst breit abzusichern. Eine Methode hierfür ist die Durchführung einer Zukunftswerkstatt in Form eines halb- bis ganztägigen Betriebsworkshops zu den Zukunftsperspektiven des (telefonischen) Beratungsdienstes bzw. der gewünschten neuen Servicestrukturen. In der folgenden Abbildung 3-8 wird das Wesen einer Zukunftswerkstatt kurz erläutert; eine etwas ausführlichere Darstellung befindet sich in der Praxishilfe "Toolbox".

Die Zukunftswerkstatt ist ein Arbeitskreis mit allen betrieblichen Betroffenen zur Entwicklung von Leitbildern für das Arbeiten in der Zukunft.

Zusammensetzung: zuständiger Leiter Service Center bzw. Servicebereich, Leiter Fachbereich, Service Center Beschäftigte, sachkundige Bürger (evtl. Verbraucherverbände), Personalrat, Vertreter der Politik.

Arbeitsweise: Die Zukunftswerkstatt will unter möglichst geringen formalen Zwängen Kreativitätspotenziale freisetzen. Dies geschieht in drei Schritten:

In der “Utopiephase” entwickeln alle Teilnehmer ihre eigenen Vorstellungen für die Arbeit der Zukunft in ihrem Tätigkeitsbereich. Die Vorstellungen sollen dabei möglichst wenig durch vermeintliche oder tatsächliche Bedingungen eingeschränkt werden. In der “Realitätsphase” geht es darum, das Arbeiten von heute darzustellen. Nach der Gegenüberstellung von Utopie und Realität heißt die Leitfrage in der dritten Phase: Was kann getan werden, um von der beschriebenen Realität zur beschriebenen Utopie zu gelangen (“Umsetzungsphase”). Die Ergebnisse werden jeweils dokumentiert.
Bei allen drei Fragestellungen sollen die Gestaltungsebenen
  • Art der Dienstleistung,
  • Technik,
  • Organisation und
  • Personal
Berücksichtigung finden.

Abbildung 3-8: Die Zukunftswerkstatt

Das Projektmanagement wird die Aufgabe haben, die Ergebnisse aus der Zukunftswerkstatt zu einem Bericht mit Handlungsempfehlungen zu verdichten.

Eine etwas traditionellere Methode ist die Erarbeitung eines Zielsystems mit Prioritäten (Abbildung 3-9). Im ersten Brainstorming bestimmen die beteiligten Akteure aufgrund der vorgegebenen Leitfrage jeweils individuell ihre persönlichen Oberziele. Nach Präsentation und gemeinsamer Diskussion werden Ziele gebündelt, gewichtet und möglicherweise ausgewählt. Für die prioritären Oberziele werden Konkretisierungen, Maßnahmen und Messinstrumente ermittelt. Bei Zielkonflikten, z.B. bei der Beteiligung von Interessengruppen mit gegensätzlichen Zielen, wird die Bearbeitung oft dadurch vereinfacht, dass diese Zielkonflikte transparent gemacht werden.

Leitfrage: Wir wollen erreichen, dass...
1. Bestimmung der Oberziele
Oberziele sind z.B.
  • bessere Erreichbarkeit für den Bürger,
  • grössere Effizienz, kein Outsourcing/ Sicherung der Arbeitsplätze,
  • Gesundheitsförderung,
  • kontinuierliche Qualifizierung der Mitarbeiter
  • höhere Mitarbeiterzufriedenheit,
  • Bürgerzufriedenheit
2. Gewichtung und Auswahl durch gemeinsame Prioritätensetzung

3. Für jedes dieser Oberziele wird dann beschrieben:
  • das bedeutet konkret:...
  • wie erreicht man das? (Maßnahmen)
  • wie misst man den Erfolg? (Zielkontrolle)

Abbildung 3-9: Entwicklung eines Zielsystems mit Prioritätensetzung

Die Eliot-Box (Abbildung 3-10) sortiert alle genannten Ziele nach ihrem Nutzen. Hierbei ergibt sich ein Bereich für gemeinsamen Nutzen, über den sich schnell Einigung erzielen lässt, wie z.B. die betriebliche Zielsetzung nach qualitativer Dienstleistung, die einhergeht mit der Qualifizierung von Arbeitnehmern. Für die Bereiche mit einseitigem Nutzen, wie z.B. wirtschaftliche Interessen an nachfrageorientierten Arbeitszeiten, müsste jeweils ein Ausgleich gesucht werden.

Abbildung 3-10 : Eliot-Box (Verhandlung bei gegensätzlichen Zielen)
Abbildung 3-10 : Eliot-Box (Verhandlung bei gegensätzlichen Zielen)


3.2.4 Phase 3: Konzeption

Aus der Ist-Analyse und den formulierten Zielen wird die Soll-Konzeption erarbeitet. Das Soll bezieht sich auf Anforderungen an Dienstleistung, Arbeitssystem (Technik, Organisation, Personal), Aufbau- und Ablauforganisation sowie auf Kooperation und legt Maßnahmen fest. Mit den Soll-Konzeptionen auf diesen Gestaltungsebenen beschäftigt sich ausführlich das Kapitel 3.3.3 Welche Rolle spielt die technologische Entwicklung für Planungsprozesse?.

Soll-Konzeption und Maßnahmen werden in einem Entscheiderkreis auf ihre Wünschbarkeit und Realisierbarkeit hin diskutiert. Hier werden Entscheidungen für die Einführung getroffen sowie Betriebsmittel zur Verfügung gestellt. Hilfestellung bei der Entwicklung von Soll-Konzepten bieten

3.2.5 Phase 4: Umsetzungsplanung

Jetzt gilt es das Arbeitssystem zu detaillieren und einzuführen. Betriebsmittel sind einzuplanen und zu beschaffen, personelle Maßnahmen sind einzuplanen, Qualifizierungen durchzuführen, Büroräume auszustatten. Möglicherweise wird vorab ein Probebetrieb durchgeführt. Fragen von Arbeitszeiten und Eingruppierungen sind festzulegen. Hierzu, insbesondere zu den Schwerpunkten für die Gestaltung von öffentlichen Service Centern, bietet das Kapitel 3.4 Wirtschaftlichkeitsaspekte im Service Center ausführliche Hilfestellungen mit Fallbeispielen und Umsetzungslösungen an. Entscheidende Fragen zur Personalentwicklung und zur Wirtschaftlichkeit behandelt ein weiterer Beitrag in diesem Ver-T-iCall-Leitfadenmodul.

3.2.6 Phase 5: Erfolgskontrolle/Projektcontrolling

Nach Einführung des neuen Arbeitssystems hat das Projekt zwar ein wichtiges Ziel erreicht, ist aber noch nicht abgeschlossen. Ebenso wie im bisherigen Projektverlauf wird es auch jetzt darum gehen, anhand eines vorab festgelegten Kennzahlensystems die Zielerreichung zu überprüfen und zu bewerten. Eine Möglichkeit besteht in der Anfertigung einer Projektdefizitliste (vgl. Toolbox). Hier wird von den Entscheidungen in der Zielfindungsphase zu “Ziele, Maßnahmen, Kontrolle” ausgegangen.

Mit Hilfe der Projektdefizitliste kann das Erreichen von Zielen und somit der Projektfortschritt analysiert werden, korrigierende Maßnahmen können eingeleitet werden.

Die festgestellten Defizite und entschiedenen Maßnahmen sind in der nächsten Zusammenkunft Gegenstand für ein erneutes Projektcontrolling. Ein Beispiel für die durchgeführte Organisations- und Prozessanalyse ist in der Praxishilfe: "Toolbox" wiedergegeben.

Weitere Möglichkeiten für die ständige Optimierung des Service Centers sind beteiligungsorientierte Qualitätszirkel sowie die Durchführung einer Analyse der Belastungen und Beanspruchungen nach SIGMA-CC. Ein weiteres Verfahren der ständigen Optimierung ist das so genannte Benchmarking, der Vergleich eigener Dienstleistungen mit dem Best Practice (vgl. Praxishilfe: Toolbox).

Abbildung 3-11: Vorgehensweise beim Benchmarking
Abbildung 3-11: Vorgehensweise beim Benchmarking


“Benchmarking” strebt stets einen systematischen Vergleich von Geschäftsprozessen oder Produkten (Dienstleistungen) verschiedener Unternehmen bzw. Organisationen mit dem Ziel einer “Orientierung am Besten” an. Benchmarking ist auch ein Instrument des organisatorischen Lernens durch vergleichende Prozess- und Ergebnisbewertung. Im beschäftigungspolitischen Kontext kommen dem Benchmarking zweierlei Funktionen zu: Zum einen gilt es, mit Hilfe geeigneter Kennzahlen die eigene Leistungsfähigkeit im Vergleich zu anderen – und damit möglicherweise bestehende Handlungsbedarfe – zu ermitteln. Zum anderen schafft Benchmarking mehr Transparenz und ist geeignet, “Best Practice”-Beispiele zu identifizieren, von denen man für die eigene Praxis lernen kann.

Diese Form von Vergleichen sind wichtige Anreize für die kontinuierliche Weiterentwicklung, Veränderung und Innovation in öffentlichen Verwaltungen. Entsprechende Verfahren und Kennzahlen werden von der KGST entwickelt bzw. durch die Bertelsmanns-Stiftung veröffentlicht.

Klaus Heß, Reinhild Reska


Öffentliche Beratungsdienste
vom Call Center zur Service- und Informationsagentur