3.4 Wirtschaftlichkeitsaspekte im Service Center

Inhaltsverzeichnis:

3.4.1 Service Center als Inhouse-Lösung oder durch externe Dienstleister?

Grundsätzlich stellt sich für eine öffentliche Verwaltung die Frage, ob ein internes Service Center aufgebaut werden soll oder ob es gegebenenfalls günstiger ist, diese Leistungen über einen externen Dienstleister einzukaufen. Da es für die Einrichtung eines Service Centers bei einer öffentlichen Verwaltung keine Standardlösung gibt, kann diese Frage auch nicht endgültig beantwortet werden. Generell lässt sich allerdings festhalten, dass es mit zunehmendem Leistungsumfang des Service Centers sinnvoller ist, eine interne Lösung zu realisieren. Die Agents werden in der Regel aus der eigenen Verwaltung rekrutiert und verfügen daher über ein hohes Maß an verwaltungsspezifischem Know-How, das ein externer Dienstleister sich erst aufwändig aneignen muss, womit ein etwaiger Kostenvorteil obsolet wird. Je komplexer die Anfragen werden, umso aufwändiger, und damit kostenträchtiger, werden Aspekte des Datenschutzes.

Die wesentlichen Aspekte werden in Abhängigkeit von der Aufgabenstellung bzw. den Tätigkeitsanforderungen (vgl. die Maßnahmenübersicht im Kapitel 4.2) diskutiert.

Bei Beantwortung von Routineabfragen mit hohem Vermittlungsanteil:
Hochstandardisierte Inhalte – Zuständigkeitsbereiche, Öffnungszeiten etc. – eignen sich prinzipiell dazu, durch ein externes Service Center abgearbeitet zu werden. Wenn allerdings dies gleichzeitig mit einem hohen Vermittlungsanteil verbunden ist, erscheint aufgrund der Kosten für die technische Weiterschaltung eine interne Lösung geeigneter. Vorstellbar ist, dass ein externes Service Center eine „Überlauf“-Funktion wahrnimmt, um Wartezeiten bei Nachfragespitzen zu vermeiden.

Bei fachlichen Anfragen mit direkter Antwortmöglichkeit:
Die Agents benötigen für diese Anfragen schon recht umfangreiche Informationen, die in ggf. verschiedenen Datenbanken hinterlegt sind, sodass die Anfragen nach Möglichkeit abschließend beantwortet werden können. Aus Gründen des Datenschutzes dürfte es in diesem Fall sinnvoller sein, diese Fragen durch ein internes Service Center abzuarbeiten. Darüber hinaus ist es ggf. erforderlich, sich mit den Fachabteilungen in Verbindung zu setzen, um offene Fragen direkt zu klären. Hier haben Agents, die selbst aus der Verwaltung kommen, einen Wissensvorteil, weil sie mit der Verwaltungsstruktur vertraut sind und schneller und gezielter an die richtigen Ansprechpartner kommen.

Bei fachlichen Anfragen / Beschwerden mit Bearbeitung (nach Telefonat) bzw. mit Rückfragen und Rückmeldung:
Spätestens dann, wenn das Service Center der öffentlichen Verwaltung die Beschwerden von Bürgern bearbeitet, sind erhebliche Sachkenntnisse gefragt, müssen Sachverhalte mit den Fachabteilungen geklärt werden etc., sodass eine interne Lösung in jedem Fall zu favorisieren ist. Da die Mitarbeiter in der Regel aus der eigenen Verwaltung rekrutiert werden, ist hier die erforderliche Sachkompetenz gegeben.

Bürgerbefragung / Outbound:
Falls eine Bürgerbefragung der Evaluation der eigenen Servicequalität dienen soll, bietet sich der Einsatz eines externen Dienstleisters / Marktforschungsinstitutes aus Gründen der Objektivität an. In anderen Fällen der Bürgerbeteiligung durch Befragung ist dies auch durch das eigene Service Center nach entsprechender Schulung der Mitarbeiter möglich und sinnvoll.

In der Regel ist also eine interne Lösung zu bevorzugen. Gerade bei kleinen Kommunen sollte aus Kostengründen aber an eine bezogen auf die einzelne Kommune externe Lösung gedacht werden, also an ein interkommunales Service Center, dass die Anfragen bündelt und abarbeitet, aber sehr wohl auch mit eigenen Kräften aus den beteiligten Kommunen realisiert werden kann (vgl. Kapitel 3.1.3).

3.4.2 Wirtschaftlichkeit und Controlling

In diesem Abschnitt geht es um die Fragen:
Würde man diese Fragen einem Service-Center-Berater oder einem Technikanbieter stellen, wird man garantiert die Antwort bekommen, dass es ganz darauf ankomme, was denn benötigt wird!

Daher wird an dieser Stelle ein Beispiel für den Aufbau und den Betrieb eines gewerblichen Inbound-Service Centers gegeben (nach Gamm, 2000; Prospektiv, 2001; Kozak, 1998).

Ein Outbound-Service Center ist mit einem Service Center in der Öffentlichen Verwaltung zurzeit eher nicht zu vergleichen. Außerdem werden einige Kriterien, die eher für gewerbliche, am freien Markt tätige Inbound-Service Center gelten, in Bezug auf die Vergleichbarkeit mit Service Centern der Öffentlichen Verwaltung angepasst.

3.4.2.1 Aufbau eines Service Centers

Als Annahmen werden festgehalten:
Die hierfür angesetzten Kalkulationen befinden sich in der Abbildung 3-11:

Abbildung 3-11: Investitionskosten für ein Service Center (Modellbeispiel für Inbound)
Abbildung 3-11: Investitionskosten für ein Service Center (Modellbeispiel für Inbound)

Die angegebenen Kalkulationen entsprechen heutigen Erfahrungswerten. Die angegebenen Kosten von 200 Euro pro Headset sind sicherlich hoch angesetzt, aber wer bei Headsets spart, spart an der falschen Stelle. Headsets sind die Geräte, die die Mitarbeiter bis zu acht Stunden pro Tag direkt spüren. Sie sind für die Akzeptanz der gesamten Technik von entscheidender Bedeutung. Das gleiche gilt für die Anschaffung von Flachbildschirmen. Bei der ACD-Anlage wird auf eine Internetanbindung verzichtet. Auch auf Softwarelizenzen wird verzichtet. Es wird lediglich das Customizing der vorhandenen Software ohne besondere Anforderungen veranschlagt. Zur Technik werden auch die Ausgaben für die ergonomische Einrichtung und Gestaltung des Arbeitsplatzes und des Arbeitsraums zugerechnet (Lärm, Klima, Beleuchtung, Möbel etc.).

Bei einer Zahl von 30 Mitarbeitern wird von ca. 3 Team- bzw. Projektleitern ausgegangen, deren Weiterbildungskosten entsprechend höher anzusetzen sind.

Auf Kosten für Rekrutierung von Arbeitskräften vom Arbeitsmarkt wird gänzlich verzichtet. Es werden (auch zum Vergleich von Service Centern der öffentlichen Verwaltung) nur Kosten für Weiterbildung angesetzt. Es wird ferner davon ausgegangen, dass alle fachlichen Kompetenzen nach dem Train-the-Trainer-Prinzip intern durch eigenen Mitarbeiter durchgeführt werden. Es wird weiterhin davon ausgegangen, dass für die organisatorische, technische und personelle Konzeptionierung des Service Centers ein externer Fachberater benötigt wird.

Fasst man die Investitionskosten für das angegebene Beispiel zusammen, so sind sie sicherlich relativ hoch angesetzt, dienen aber als brauchbarer Maßstab, an dem geprüft werden kann, was bei der Projektierung von Service Centern in der öffentlichen Verwaltung anders ist und wo hier keine oder andere Investitionskosten anfallen. Abbildung 3-12 zeigt noch einmal die prozentuale Kostenverteilung für den Aufbau eines Service Centers. Als Faustregel gilt: ca. 2/3 ist für Technik zu kalkulieren.

Abbildung 3-12: Kostenverteilung Aufbau (Modellbeispiel für Inbound)
Abbildung 3-12: Kostenverteilung Aufbau (Modellbeispiel für Inbound)

3.4.2.2 Betrieb eines Service Centers

Im Folgenden soll auf die Wirtschaftlichkeit des Betriebes eines Service Centers eingegangen werden. Hier kommen auf den Betreiber laufende Betriebskosten zu, die das Investitionsvolumen beim Aufbau eines Service Centers i.d.R. immer übersteigen. Man sollte sich selbstverständlich vor dem Aufbau darüber im Klaren sein, in welchem Ausmaß laufende Betriebskosten entstehen. Die Kostensegmente verteilen sich wie in Abb. 3-13 dargestellt.

Der größte Teil der Betriebskosten sind Personalkosten. Hier werden Kosten kalkuliert, wie sie im gewerblichen Bereich anzusetzen wären. Dazu gibt es auch eine Reihe von Studien zu Vergütungen in gewerblichen Service Centern. Für dieses Beispiel wird die Studie der Kienbaum Unternehmensberatung zugrunde gelegt (Ewert 1999; Fichtner 2000).

Abbildung 3-13: Laufende Betriebskosten eines Service Centers (Modellbeispiel für Inbound)
Abbildung 3-13: Laufende Betriebskosten eines Service Centers (Modellbeispiel für Inbound)

Diese Studie geht von vergleichsweise hohen Gehältern aus, d.h. dass man mit der Planung dieser Zahlen auf der sicheren Seite wäre. Für die Weiterbildung werden pro Jahr 1.500 Euro angesetzt. Auch hier sollte nicht gespart werden, da im gewerblichen Bereich Training und Coaching der Mitarbeiter Garant für die Erbringung einer dauerhaften Servicequalität und Voraussetzung für Mitarbeiterbindung und geringe Fluktuation sind.

Die Investitionskosten werden auf vier Jahre abgeschrieben.

Service- und Wartungsleistungen für Hardware und Software werden mit 10% der Investitionskosten angesetzt. Die Höhe der Telekommunikationskosten hängt von der gewählten Servicenummer ab. In diesem Beispiel wird von einer 180/3-Nummer ausgegangen, d.h. dass mit 150.000 Euro zu rechnen ist. Ähnlich wäre Miete und Unterhaltskosten für die Immobilie zu veranschlagen. Damit belaufen sich die Betriebskosten insgesamt auf ca. 1,5 Millionen Euro jährlich.

Abbildung 3-14 zeigt noch einmal die prozentuale Kostenverteilung für den laufenden Betrieb eines Service Centers. Als Faustregel gilt: ca. 2/3 sind für Personal zu kalkulieren. Das ergibt sich auch aus zahlreichen anderen Studien, die hierzu durchgeführt wurden, z.B. Hermes 1999; Sievers 1998).

Abbildung 3-14: Kostenverteilung Betrieb (Modellbeispiel für Inbound)
Abbildung 3-14: Kostenverteilung Betrieb (Modellbeispiel für Inbound)

Die hier angegeben Zahlen sind selbstverständlich nur bedingt auf den Bereich der öffentlichen Verwaltung übertragbar. Beispielsweise fallen in der öffentlichen Verwaltung keine Telekommunikationskosten in dieser Form an, da ja nur aus dem kommunalen Bereich angerufen wird und eine Vereinheitlichung der TK-Kosten über das Bundesgebiet durch eine 0180er Nummer nicht notwendig ist.

Auch sind die Personalkosten des gewerblichen Bereichs sicherlich nicht mit den Personalkosten der öffentlichen Verwaltung gleich zu setzen.

Vergleicht man die in Abb. 3-14 angegebenen Werte mit der Personalkostentabelle für Angestellte (KGSt 1999, S.30) ergeben sich folgende Zahlen für die Service Center Mitarbeiter in der öffentlichen Verwaltung:
Die Werte lassen sich nur schwer mit den Bruttoangaben aus der Kienbaumstudie verglei-chen, da der KGSt hier Jahreswerte ansetzt, die die Kosten für Sozialversicherung, Eigen-unfallversicherung, Beihilfe, Sozialwerk, Versorgung (ohne Verwaltungsgemeinkostenzuschlag) beinhalten (Diese Jahreswerte orientieren sich an BAT und gelten für Angestellte im Verwaltungsdienst, 38,5 Std./W.).

Aus den Personalkosten lassen sich unter Zuhilfenahme weiterer Kosten auch die Kosten eines Arbeitsplatzes mit Technikunterstützung ableiten (also einem CC-Arbeitsplatz vergleichbar).

Nach KGSt (1996) ergeben sich Investitionskosten für einen Arbeitsplatz mit Technikunter-stützung von 17.500 Euro und laufende Betriebskosten von 10.000 Euro jährlich. Diese Werte berücksichtigen den Stand der Informationstechnik von 1996 und wären entsprechend anzupassen.

Weiterhin ist bei den Büroarbeitsplätzen mit Technikunterstützung von einem Gemeinkosten-zuschlag von mindestens 20% auszugehen. Abbildung 3-15 zeigt, wie sich die Kosten eines Arbeitsplatzes mit Technikunterstützung in der öffentlichen Verwaltung zusammensetzen.

Abbildung 3-15: Kosten eines Arbeitsplatzes mit Technikunterstützung in der öffentlichen Verwaltung (Quelle: KGSt, 1999)
Abbildung 3-15: Kosten eines Arbeitsplatzes mit Technikunterstützung in der öffentlichen Verwaltung (Quelle: KGSt, 1999)

Folgt man dem angegebenen Verrechnungsmuster ergeben sich als Beispiel (umgerechnet nach KGSt, 1999):



Die Angaben für Kosten eines Service Center-Arbeitsplatzes sind auf jeden Fall an der unteren Grenze anzusiedeln. In jedem Fall ist durch die kostenintensive Sachmittelausstattung eines Service Centers von entsprechend höheren Kosten auszugehen!

Beide Beispielrechnungen - für Aufbau und laufenden Betrieb eines Service Centers - geben eine erste grobe Orientierung. Für einen verwaltungsspezifischen Service Case wird die Kal-kulation sicherlich an vielen Stellen anders aussehen. Größe, Aufgaben etc. können die Kostenblöcke extrem verschieben. Dennoch wird deutlich, mit welchem Aufwand für Aufbau und Betrieb eines Service Centers im gewerblichen Bereich zu rechnen ist und welche Fragestellungen und Vergleichsmöglichkeiten sich hieraus für den Aufbau und den laufenden Betrieb von Service Centern in der öffentlichen Verwaltung ergeben.

3.4.2.3 Wirtschaftliche Steuerung

Neben den laufenden Betriebskosten eines Service Centers, die in dem vorangegangenen Beispiel grob skizziert wurden, muss auch ein Steuerungs- und Kontrollmechanismus eingesetzt werden, der für den Bürger/Kunden kontinuierlich eine hohe Servicequalität und intern ein effizientes Arbeiten sichert. Hierfür müssen ständig dem Service Center-Verantwortlichen die wesentlichen Kennzahlen zur Verfügung gestellt werden (Reporting). Ohne permanentes Monitoring und kurzfristige Anpassungen kann kein Service Center langfristig erfolgreich funktionieren. Dieses Controlling auf operativer Ebene hat die Aufgabe, dass die strategischen Vorgaben der Unternehmensleitung bzw. Verwaltungsleitung in operative Ziele für das Service Center überführt werden (siehe hierzu auch Henn/Seiwert 1998).

Darüber hinaus ist eine wichtige Grundlage für ein erfolgreiches Controlling im Service Center, dass das Unternehmen seine strategischen Ziele formuliert und sich entsprechend positioniert. Eine der Grundfragen hierbei lautet: “Was soll mit dem Serviceangebot des Service Centers für wen erreicht werden?” (vgl. Kapitel 3.2 zur Bestimmung von Soll-Vorgaben). Die Verabschiedung der Unternehmensstrategie ist kardinale Führungsaufgabe.

Auf der Basis der gesamten Verwaltungsstrategie werden dann für das Service Center die sogenannten “Missions” abgeleitet, d.h. die Spezifikation der handhabbaren Ziele für das Service Center. Anhand dieser “Missions”, die sowohl quantitative wie auch qualitative Zielkriterien enthalten, werden entsprechend Controlling-Kennzahlen und -Instrumente ausgewählt, die dem spezifi-schen Auftrag des Service Centers gerecht werden.

Eine der gegenwärtig modernsten Controlling-Methoden hierfür ist die Balanced Scorecard2. Einen guten Überblick liefern, mit z.T. vertiefenden Unternehmensbeispielen, dazu Kaplan/ Norton 1992, 1994, 1996; Schmidt 1998; Fratschner1999; Friedag/Schmidt 1999; Weber/ Schäffer 2000; Ackermann 2000; Horvath & Partner 2000; Gehringer/Walter 2000.

Der Einsatz von Balanced Scorecards in Service Centern ist bisher wenig beschrieben, Beispiele hierzu liefern Henn/Seiwert 1998; Kudernatsch 1998; Prospektiv 2001. Zu Rate ziehen für das Controlling im CallCenter kann man auch für den Personalbereich zugeschnittene Balanced Scorecards, Beispiele hierzu liefern Reupert/Wenisch 2000; Wickel-Kirsch 1999.

Im Folgenden wird zunächst das Konzept der Balanced Scorecard dargestellt.

Die Balanced Scorecard ist eine Management-Methode, mit der Unternehmen mit Hilfe wohl ausgewählter und entscheidender Kennzahlen strategisch, flexibel und effektiv geführt werden können. Ziel der Balanced Scorecard ist es, der Unternehmensleitung, dem mittleren Management und den Mitarbeitern einen ständigen Überblick über den Kurs des Unternehmens und der einzelnen Verantwortungsbereiche zu geben. Sie ist damit mit dem Cockpit eines Flugzeugs vergleichbar, in dem alle notwendigen Informationen über den Zustand des Flugzeugs und den Kurs angezeigt werden, die wichtig sind, um das Ziel zu erreichen. Mit der Balanced Scorecard kann die Strategie im Unternehmen besser benannt und leichter umgesetzt werden. Dadurch wird den Mitarbeitern eine Orientierungshilfe gegeben, mit der sie sich für den Erfolg des Unternehmens zielgerecht engagieren können.

In vielen Fällen sind die Kennzahlen, die über die Entwicklung im Unternehmen informieren, “Spätindikatoren”, die betriebliche Entscheidungen erst mit langer zeitlicher Verzögerung abbilden. Beispielsweise spiegelt sich die Kundenzufriedenheit erst nach einiger Zeit in der Gewinnentwicklung wieder. Auch die klassischen finanziellen Kennzahlen wie Umsatz, Gewinn, Rendite, Zahlungs-reichweite etc. sind nichts anderes als Spätindikatoren. Sie geben keine direkte Auskunft darüber, wie die betrieblichen Prozesse beherrscht werden, wie die Kunden das Unternehmen sehen oder wie engagiert die Mitarbeiter sind.

Diese Faktoren beeinflussen aber maßgeblich die finanzielle Situation des Unternehmens. Sie gehen ihr zeitlich voraus und werden daher als “Frühindikatoren” bezeichnet. Die Balanced Scorecard lenkt das Augenmerk verstärkt auch auf diese Faktoren und integriert sowohl Früh- wie auch Spätindikatoren in den strategischen Planungsprozess des Unternehmens.

Die Balanced Scorecard stellt Kennzahlen aus folgenden Bereichen zusammen (siehe auch Abb. 3-16):

Abbildung 3-16: Die vier Dimensionen der Balanced Scorecard mit den entscheidenden Fragen aus Sicht des Managements, nach Kaplan/Norton1996
Abbildung 3-16: Die vier Dimensionen der Balanced Scorecard mit den entscheidenden Fragen aus Sicht des Managements, nach Kaplan/Norton1996

Zur Darstellung der Kennzahlen und ihrer Bedeutung ist eine Übersicht über Ursache-Wirkungs-Beziehungen der Kennzahlen hilfreich. Sie macht deutlich, welchen Einfluss Früh- und Spätindikatoren haben.

Frühindikatoren geben viele und intensive Impulse an andere Kennzahlen ab und stellen daher Leistungstreiber dar. Spätindikatoren nehmen eher auf, als dass sie Wirkungen auf andere ausüben, sie stellen i.d.R. Ergebnisse dar. Abbildung 3-17 zeigt das Verhältnis von Früh- und Spätindikatoren zu den vier Dimensionen der Balanced Scorecard.

Abbildung 3-17: Schematische Darstellung des Verhältnisses von Früh- und Spätindikatoren zu den vier Dimensionen der Balanced Scorecard
Abbildung 3-17: Schematische Darstellung des Verhältnisses von Früh- und Spätindikatoren zu den vier Dimensionen der Balanced Scorecard

Aufgrund der Kenntnis von Ursache-Wirkungszusammenhängen im Service Center, lassen sich Steuerungsmaßnahmen begründen und zielgerichtet einsetzen. Der enorme Vorteil einer Balanced Scorecrad ist, dass hier insbesondere der Zusammenhang von Mitarbeiterzufriedenheit (Frühindikator) und Kundenzufriedenheit (Spätindikator) erfasst und abgebildet werden kann. Diese “weichen” Kennzahlen spielen zur Sicherung und Verbesserung der Servicequalität (interne und externe Servicequalität) im Service Center eine große Rolle. Maßnahmen, Kennzahlen und Ursache-Wirkungs-Ketten werden prinzipiell in der Balanced Scorecard abgebildet und sind integraler Bestandteil der Management-Methode. Wie in Abb. 3-16 bereits angedeutet, beinhaltet eine Scorecard die Unternehmensziele in Bezug auf die jeweilige Dimension, die hierfür geeigneten Kennzahlen mit den Ist-Messungen, die geplanten Vorgaben mit den Soll-Werten und die hierfür festgelegten Maßnahmen zur Zielerreichung.

Zusammengefasst ergeben die Scorecards bei vier Dimensionen erfahrungsgemäß insgesamt 15-20 Kennzahlen zur Führung und zum Unternehmenscontrol-ling.

Zunächst muss im Service Center geprüft werden, für welchen Scope die Balanced Scorecard angewendet werden soll, z.B. für Projekt x oder Kampagne y oder Hotline soundso. Die Balanced Scorecard kann auch zum Reporting und Controlling größerer Segmente (Inbound, Outbound etc.) angewendet werden. In der Call-Center-Praxis haben sich zum Controlling verschiedener Serviceziele folgende Kennzahlen und Messinstrumente bzw. –verfahren als brauchbar herausgestellt.

Die erbrachte Leistung für den Kunden (Bürger) kann anhand objektiver und subjektiver Daten bewertet werden. Zu den objektiven Daten gehören Kennzahlen, die vornehmlich aus der ACD-Anlage des Service Centers im Rahmen von Auswertungen generiert werden können. In Abbildung 3-18a und 3-18b sind solche Kennzahlen im Überblick einmal zusammengestellt.

Die subjektiven Daten werden verwendet, um die Gesprächsqualität, die Mitarbeiterzufriedenheit und die Kundenzufriedenheit zu bewerten. In Abbildung 3-19 wird gezeigt, welche Dimensionen mit welchen Kennzahlen in einem Service Center für die Qualitätsmessung/Steuerung eines Inbound-Projektes verwendet werden können. Die Dimensionen beziehen sich auf die Bereiche Serviceleistung, Personal, Auftraggeber und Finanzen. Für das Inbound-Projekt werden führungsrelevante Kennzahlen festgelegt, die in direktem Zusammenhang mit der Qualitätssicherung stehen. Die Index-Werte beruhen auf Erfahrungswerten und sind Zielvorgaben zur Optimierung.

Die Zusammenstellung verschiedener, objektiver (z.B. aus der ACD-Anlage generierter) und subjektiver Daten liefert ein Gesamtüberblick der momentanen Leistungsfähigkeit im Projekt (Cockpit). Trends, Vergleiche und Zielabweichungen können durch die Indikatormessungen für die vier Dimensionen in seinem Wirkungsgefüge interpretiert werden. So können Unzufriedenheitswerte der Kunden (Bürger) auf schlechte Serviceleistungen zurückgeführt werden und diese wiederum auf die hohe Abwesenheitsrate und die schlechte Mitarbeiterzufriedenheit (Ursache-Wirkungs-Gefüge von Leistungen). All diese Effekte wirken sich letztlich auf schlechte Finanzergebnisse aus. Durch die “Balance” der Indikatoren können Werte in größerem Zusammenhang interpretiert werden und geeignete Maßnahmen abgeleitet werden. Die Balanced Scorecard verhindert somit eine eingeschränkte Betrachtung rein finanztechnischer Größen, die für sich nur wenig interpretationsfähig wären. Sogenannte “weiche” Indikatoren werden mit in das betriebliche Controlling mit aufgenommen.

Abbildung 3-18a: Schlüsselindikatoren für das Controlling im Service Center (nach Menzler-Trott/ Hasenmaile 2001) (Fortsetzung auf der nächsten Seite)
Abbildung 3-18a: Schlüsselindikatoren für das Controlling im Service Center (nach Menzler-Trott/ Hasenmaile 2001) (Fortsetzung auf der nächsten Seite)

Abbildung 3-18b: Schlüsselindikatoren für das Controlling im Service Center (nach Menzler-Trott/ Hasenmaile 2001)
Abbildung 3-18b: Schlüsselindikatoren für das Controlling im Service Center (nach Menzler-Trott/ Hasenmaile 2001)

Abbildung 3-19: Balanced Scorecard für ein Inbound Projekt im Service Center: anonymisiertes Beispiel (Prospektiv, 2001)
Abbildung 3-19: Balanced Scorecard für ein Inbound Projekt im Service Center: anonymisiertes Beispiel (Prospektiv, 2001)

Sicherlich ist die konzeptionelle Grundlage und die Gebrauchsfähigkeit einer Balanced Score-card derart, dass sie auch für Service Center der öffentlichen Verwaltung als Controlling-instrument eingesetzt werden können. Der Scope und die Zuschreibung von Kennzahlen müssten entsprechend anders gewählt werden, aber der Nutzen einer Balanced Scorecard und damit die Steuerungsfähigkeit durch die Interpretation des Ursache-Wirkungs-gefüges von Leistungen ist in der öffentlichen Verwaltung ebenso gegeben (z.B. kann auf die in manchen Verwaltungen bereits entwickelten kennzahlenbasierten Produktkataloge zurückgegriffen werden, um Anhaltspunkte zu erhalten).

Claudia Brasse, Thomas Langhoff, Charlotte Sust, Peter Schubert


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